Criterion –
Ein Festival, befreiend wie ein Frühlingsputz

Nicole Gutschalk • 11.04.2019

Nachhaltigkeit wird oft mit Verzicht und mit weniger Genuss in Verbindung gebracht. Das Criterion Festival zeigt, dass es auch anders geht. Und dass sinnvoll und ökologisch eben durchaus auch besser und schöner bedeuten kann – sogar beim Putzen.

Zeit, umzudenken. Neues zu wagen. Insbesondere, wenn wir uns in eine nachhaltige Zukunft entwickeln wollen – in eine Zukunft mit Zukunft sozusagen. Darüber kann man sich den Kopf zerbrechen, in Schockstarre verfallen. Oder aber man nimmt die Sache in die Hand, so wie die Macherinnen des zweiten Criterion Festivals in Zürich und seine rund 200 Aussteller; allesamt Vordenker und Praktiker in Sachen Nachhaltigkeit.

Bereits zum zweiten Mal fand das Festival statt. Und abermals bei allerschönstem Frühlingswetter; an einem Wochenende, das wie dafür gemacht schien, um mal wieder den Kopf zu lüften, den eigenen Garten auf Vordermann zu bringen oder Leben, Heim und Haus vom Winterstaub zu befreien. Und dieses erquickende Gefühl – eine Mischung aus Neuanfang und Frühlingsputz – umwehte auch die rund 11‘000 Besucherinnen und Besucher, die den Weg in die Messehalle in Zürich Oerlikon fanden. «Die Aufbruchstimmung war regelrecht spürbar», meinte Regina Gregory, eine der Criterion-Initiantinnen. Das Publikum war gekommen, um sich in Sachen Nachhaltigkeit und Ökologie neue Anregungen für seinen eigenen Alltag zu holen. Um Neuentdeckungen zu machen und – nicht zuletzt – auch um alte Gewohnheiten zu überdenken. Da sollte es der Pioniergeist der Aussteller aus den Bereichen Design, Kochen, Handwerk und Forschung nicht enttäuschen: Die Besucherinnen und Besucher konnten sich mit zahlreichen regionalen Spezialitäten verköstigen, Setzlinge rarer Gemüsesorten entdecken, die Bedeutung von Wildbienen kennen lernen, das Handwerk des pökelfreien Wurstens erfahren oder – und ja, Sie lesen richtig – eine neue Lust am Putzen entwickeln.

Putzen:

Für gewöhnlich eine nerventötende und ökologisch betrachtet eher vernichtende Tätigkeit. Effizient, porentief rein und möglichst keimfrei soll es am Ende bitteschön sein – gerade die Frühlingsonne führt uns ja erbarmungslos vor Augen, was sich da den Winter hindurch alles an Dreck angesammelt hat. Also greifen wir zu schwerem Geschütz und waschen die Kleider hygienisch rein, desinfizieren unsere Küchenablagen mit antibakteriellen Sprays oder behandeln Kinderspielzeug und Nuckelflaschen mit Spiritus.

Ein keimfreies Zuhause ist beinahe schon zum Synonym für Sauberkeit und Gesundheit geworden.

Aber ist diese Art von Reinlichkeit tatsächlich sinnvoll? Oder ist sie nicht viel eher kontraproduktiv und letztlich auch schädlich, nicht nur für die Umwelt, sondern auch für uns selber, für unser Immunsystem? Davon jedenfalls ist Joel Weil, Geschäftsführer von EM Solutions aus dem Zürcherischen Wädenswil überzeugt, der an der diesjährigen Criterion als Austeller dabei war. «Unsere Philosophie ist es, das natürliche Gleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt herzustellen», sagt Joel Weil.

«Denn wir sollten damit aufhören, das Innere unserer Gebäude sowie die Aussenwelt zu vergiften. Deshalb arbeiten wir mit gutartigen sogenannten effektiven Mikroorganismen (EM) und nicht mit aggressiven Chemikalien.

An und für sich ist die Verwendung von Bakterien in Sachen Reinigung ja nichts Neues. Denn schon lange verwenden Wasseraufbereitungsanlagen Mikroben, um unser Abwasser wieder in Trinkwasser zu verwandeln. Allerdings haben die meisten von uns Mühe mit der Vorstellung, dass Mikroorganismen zum Putzen verwendet werden. Dass Bakterien über unsere Möbel, Küchenablagen und Tische kriechen und für Reinlichkeit sorgen sollen.

«Skeptikern entgegne ich, dass sich auf unserer Haut rund ein Kilogramm Bakterien befinden, in unserem Darm sogar um ein Vielfaches mehr und in nur einem Milliliter Speichelflüssigkeit rund 10 Milliarden Keime zu Hause sind», so Weil. «Zudem gäbe es ohne die Hilfe von Mikroorganismen auch keinen Käse, Salami, kein Brot, Wein oder Bier.»

Wie aber funktionieren denn solch effiziente Mikroorganismen bei uns zuhause?

Müssen wir uns Armeen von Elfen vorstellen, die wie von Zauberhand für Sauberkeit sorgen? «So ungefähr», sagt Joel Weil vom EM Solutions. «Oder vielleicht wie ein Baum, der verschmutzte Luft filtert.» So würden sich Mikroorganismen mit Vorliebe von Schmutz ernähren. Dabei sind sie geradezu unersättlich und ihr Appetit treibt sie sogar in Fliesenfugen und an schlecht zugängliche Stellen. Nach Gebrauch bauen sich probiotische Reiniger natürlich ab. Bis zum vollständigen Abbau sorgen sie aber für langanhaltende Innenraumhygiene, denn die Wirkstoffe verbleiben nach dem Putzvorgang noch für einige Zeit auf dem Objekt und «fressen» den Schmutz, der sich im Laufe der Zeit wieder bildet. Perfekt, wir müssen also weniger häufig putzen, da die Mikroorganismen eine antistatische Wirkung auf den Oberflächen erzeugen. Und das Schmutzwasser könnten wir etwa dazu verwenden, unseren Garten zu giessen. Denn Mikroorganismen sind in allen Bereichen unseres Lebens anwendbar – im Garten, in Kläranlagen, in der Industrie und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie geben uns quasi die Möglichkeit zurück, unserer Umwelt ganzheitlich zu begegnen.

Na, Lust bekommen auf Frühlingsputz?
Im Kopf oder Alltag?

Video: Lauschsicht
Fotografie: Drew Hays, Karim Ghantous