«Heavy Metal – glänzende Aussichten»

DESIGNKULTUR
Joan Billing & Samuel Eberli • 04.12.2018

Im Zuge der Renaissance von Handmanufakturen und archaischen Haptiken werden Metalle wiederentdeckt und in der Inneneinrichtung, der Architektur, in Design und Fashion zu einem grossen Thema. Mit glänzenden Aussichten für 2019.

Die neue Wärme für unsere Gesellschaft

Farb- und Materialtrends sind Spiegelbild für die Gefühlslage und die Sehnsüchte unserer Gesellschaft wider. Begleiteten warme Metalle die Menschheit über Jahrhunderte, veränderte sich dies erst durch die Industrialisierung: Infolge der Nachfrage nach neuen Materialien und Optiken wurden sie von kühlen Materialien wie Stahl, Chrom, Aluminium, Glas und Beton abgelöst. Ihren ersten Höhepunkt erlebten diese Materialien in der Moderne der 1920er mit dem Bauhaus. Einen weiteren Höhepunkt erlebten kühle Metalle in den 1980er-Jahren sowie den futuristischen Nuller-Jahren. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts haben weisse, minimalische Einrichtungen aus Chrom, Aluminium und Glas eine futuristische, eher kühle Atmosphäre vermittelt und damit teilweise an ein Laborumfeld erinnert. Doch nun suchen wir nach einer neuen Wärme in unserer Gesellschaft und unserer Inneneinrichtung. Dazu passen warme Metalle wie Gold, Messing und Kupfer. Sie kehren in voller Pracht zurück, weil sie für alte Werte und Traditionen stehen. Ob unbehandelt, matt oder oxidiert finden wir sie vermehrt in Architektur, Interior, Beauty und Fashion wieder. Sie geben jene haptische und natürliche Bodenständigkeit zurück, die unsere Gesellschaft heute braucht. Und die Lust darauf wird in den kommenden Dekaden nur zunehmen.

Küche mit gehämmerten Fronten Design by Jean-Louis Deniot. Foto: ©wefollowpics

Gold – die Farbe der Zukunft

Bereits in den alten Kulturen war Gold das Symbol für Beständigkeit, Stärke und Weisheit. Könige und Krieger schmückten sich mit dem wertvollen Metall als Zeichen von Reichtum und Macht. In vielen Fällen repräsentierte Gold die Sonne und damit die Macht des Lebens, der Wärme oder des Lichtes. Es symbolisierte Hoffnung, Glück, Optimismus und Vertrauen. Noch heute repräsentiert dieses wertvolle Element mehr denn je eine Absicherung in Momenten wirtschaftlicher Unsicherheit. Gold, dieses mystische Metall, gefunden in kleinen Goldpartikeln, in Form von Flocken, Körnern oder grösseren Nuggets, ist bei den Handwerkern seit dem Bronzezeitalter begehrt. Dank seiner Formbarkeit kann es in hauchdünnen Schichten verarbeitet werden. So hat Blattgold in den letzten Jahren einen Siegeszug bei der Veredelung von Gourmetmenüs oder raffinierten Cocktails erlebt. Es macht uns Freude, unseren Alltag zu vergolden, denn wir werten ihn damit buchstäblich auf.

Fashion wie Metallskulpturen

Aber auch in der Mode hat Gold Einzug gehalten und ist im Laufe der letzten Saisons in sämtlichen Variationen interpretiert worden. Waren die glänzenden Textilien einst nur dem Adel vorbehalten, sind sie inzwischen längst von Stars und Fashiondesignern in Besitz genommen worden. Waren es zuerst Garderobe für feierliche und festliche Anlässe, so folgten bald die normale Abendgarderobe und später die Clubfashion. Inzwischen hat sich die glitzernde Metalloptik zum Trend für unseren Alltag entwickelt. So finden wir heute einen weichen, grauen Kaschmirpullover, kombiniert mit einem metallisch-goldenen Sneaker für das Büro als ganz normal. Neu ist dabei, dass die Metallic Fashion nicht mehr nur der weihnachtlichen Wintersaison vorbehalten ist. Kombinationen von Gold und Weiss gefallen uns jetzt auch im Frühling und Sommer. Der Metallic-Look ist definitiv in jeder Saison vertreten. Wir lieben den schimmernden Glanz und möchten uns täglich zum Strahlen bringen.

Fashiondesigner sind inzwischen wie Bildhauer und möchten unsere Kleider und Accessoires wie bei einer Skulptur metallisieren, patinieren und vergolden. Dabei haben die Techniken der Handmanufakturen starken Einzug in die Textilwelt gehalten. Die Mode bedient sich beim dortigen Repertoire der Verarbeitungstechniken wie Polieren, Schleifen, Glätten und Härten. Dabei wird die Fashionsilhouette skulptural wie bei Constantin Brancusi oder voluminös à la Henry Moore. Dieser neuen Textilwelt begegnen wir gleichermassen in der Haut-Couture wie auch im Bereich Sportswear, die dadurch noch moderner und futuristischer anmutet. Der Metallic-Look nimmt dabei eine neue Rolle ein. Auch die Kosmetik ist – angefangen bei Lidschatten, Nagellack, Tagescreme und Lippenstift bis hin zu den Körperlotionen – vom luxuriösen, metallischen Schimmer erfasst. Keiner unserer Lebensbereiche bleibt von der funkelnden Pracht verschont, alles glänzt und schimmert wie ein wertvolles Schmuckstück aus vergangenen Zeiten. Die Fashiondesigner scheinen noch lange nicht genug von diesem Upgrade zu haben.

Glänzende Zeiten

Auch die internationalen Möbelmessen von Mailand bis nach Paris und Köln setzen klar auf die Metalloptik und zeigen damit, dass Metall kein schnelllebiger Trend ist. Es ist erfrischend zu sehen, welche Bindung die skandinavisch-ruhige Optik aus Naturmaterialien, die sich in den letzten Jahren so stark verbreitet hat, mit dem Metalltrend eingeht. Dadurch mutieren Metalle für die Designer und Produzenten zum absoluten Lieblingsmaterial. Mit Sicherheit ist diese Entwicklung nicht nur im Zuge der Wiedergeburt der Handmanufaktur möglich, sondern auch durch die neue Designgeneration, in der die verschiedenen Disziplinen, wie Handwerk, Design, Hightech und Kunst, verschmelzen. Ein schönes Beispiel ist Sebastian Herkner, der mit dem Beistelltisch «Bell Table» genau dies zelebriert und das Handwerk und die Schönheit von Kupfer mit Glas kombiniert. Auch der von Designer Oskar Zieta mit Innendruck aufgeblasene, kupferfarbige Stuhl «Chippensteel», welchen der Designer Oskar Zieta mit Innendruck aufgeblasen hat, erinnert an die Skulptur eines Künstlers und lässt sich hier einreihen.

Stuhl Chippensteel 0.5 aus Kupferblech Design by Zieta Prozessdesign Studio. Foto: ©Zieta Prozessdesign Studio

Der Kupfer-Hype bei Designern

Die Kugellampe «Copper Shade» von Tom Dixon aus dem Jahr 2005, mittlerweile ein Design-Klassiker, kann als einer der Auslöser für den Metall-Hype im Interior-Bereich angesehen werden. Mit «Eclectic» – einer ganz eigenen Produktlinie für Küchen- und Wohnaccessoires aus Kupfer und Holz – sorgte Tom Dixon auf den internationalen Messen damit für grosse Beachtung. Seither ziert Kupfer nicht nur Töpfe, sondern auch Hand-Rührgeräte, Schlüsseln, Geschirr, Cocktail Shaker, Metallmülleimer, Besteck oder die kupferfarbene Thermoskanne von Stelton, um nur einige Beispiele aufzuzählen. Auch der skandinavische Designklassiker String, ein Regal aus dem Jahre 1949, erstrahlt plötzlich im Trend-Material Kupfer. Die Comeback-Welle von Kupfer schwappt zudem auch in die Architekturszene über und ganze Kücheninseln, Badewannen, Armaturen und Wände erstrahlen in hellem Blassrosa bis tief dunkler Kupferbronze. Dabei verschmelzen Design und Metall, und Alltägliches wird zur Skulptur. Die ganz neue Designergeneration begehrt die neuen, warmen Metalle, um ihren Werken damit einen Mehrwert zu verleihen, und sie lässt dabei auch die Metallwerkstätten und Metallgiessereien wieder en Vogue werden.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist Metall, und im speziellen Gold, zur Farbe und zum Material der Designer geworden. Metalle sind nicht nur schön und vielseitig. Sie vereinen darüber hinaus ein Generationennetzwerk von Handwerkern, Designern und Design-Enthusiasten, die gutes Design mit Langlebigkeit, Funktionalität und Schönheit verbinden. So verwundert es nicht, dass unter anderem Gold und Kupfer zu den Lieblingsmaterialien und -farben der «Generation Z» erkoren wurde. Der Metalltrend wirkt historisch und futuristisch zugleich. So hätten wir ohne Kupfer keinen Strom, keine Kommunikation und keine technischen Innovationen.

Kupferschale aus der Kollektion „Eclectic“ Design by Tom Dixon. Foto: ©Tom Dixon; Myrtle Cottage Garden Studio Design by Stonewood Design. Foto: ©Stonewood Design.

FOTOGRAFIE: wefollowpics, Zieta Prozessdesign Studio, Tom Dixon, Stonewood Design