Haltung zeigen

SUSANNA KOEBERLE • 03.05.2018

Die Schweizer Auftritte auf dem Fuori Salone waren Zeugnis der Vielfalt helvetischen Designschaffens: Überraschend, selbstsicher, aber bisweilen eben auch ausbaufähig.

Die Schweizer Präsenz auf dem diesjährigen Fuori Salone konnte sich sehen lassen. Das zeigte auch die «Swiss Design Map Milano», die heuer anlässlich dieses Design-Events der Superlative vom Schweizer Konsulat herausgegeben wurde. Über 30 Posten, verteilt in der ganzen Stadt: Schulen, Institutionen, Hersteller, Designbüros und eine Designgalerie präsentierten ihre Erzeugnisse ausserhalb der Messe. Alles zu sehen, war quasi unmöglich, zumal die Schweizer ja nicht die einzigen waren, die besucht werden wollten. Ein internationales Publikum auf Schweizer Design aufmerksam machen: Das war sicher ein gemeinsames Ziel der unterschiedlichen Akteure. Der kollektive Auftritt auf einer Karte ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, die Koordination und Zusammenarbeit scheint noch wenig eingespielt, wie etwa der ziemlich lieblos zusammengewürfelte Auftritt des «Swiss Design District» in der Zona Tortona gezeigt hat. Denn Szenographie ist alles beim Salone – ohne geht man in der Masse an Darbietungen förmlich unter.

Pro Helvetia präsentierte im Palazzo Litta unter dem Titel «Swiss Design Love» Arbeiten von sechs jungen Designbüros. Mit dabei waren Diiis design studio, Egli Studio, Florian Hauswirth, kollektiv vier, Alain Schibli und schoenstaub. Einige der gezeigten Projekte wurden von Pro Helvetia im Rahmen des Schwerpunkts «Neue Zusammenarbeitsmodelle – Kultur und Wirtschaft» auch finanziell unterstützt, andere von der Ikea Stiftung Schweiz wie etwa die innovative Gartenmöbel-Kollektion EASY ALUMINIUM des Lausanner Egli Studios.

Designprozesse sind komplex, und der Weg vom Prototyp bis zur Marktreife ist lang. In Mailand aber zählt der Moment. Die Ausstellung im Erdgeschoss des Barockpalastes mit den vielen verspielten Stücken war für helvetische Verhältnisse ungewöhnlich bunt und mutete fast schon etwas exotisch an. Dazu hat auch die Präsentation im Aussenraum beigetragen, denn sie verströmte eine entspannte Poolstimmung.

Um kreative Prozesse ging es auch in der Kooperation zwischen der ECAL und dem italienischen Leuchtenhersteller Foscarini. Die Resultate dieser Zusammenarbeit waren ebenfalls im Palazzo Litta zu sehen. Studierende aus dem zweiten Jahr des «Master Product Design» entwarfen tragbare und mobile Lichtobjekte. Neun Entwürfe wurden schliesslich für die Ausstellung ausgewählt. Je nach Materialisierung und Formgebung sind die Leuchten ganz unterschiedlich ausgefallen. Sie wirken durchdacht und überraschend zugleich und faszinieren durch das Zusammenspiel von Handwerk und modernen Technologien.

Die ECAL war – wie immer zum Salone – an mehreren Örtlichkeiten präsent. Ein grösseres, immer noch laufendes Forschungsprojekt der ECAL bildete den Ausgangspunkt für eine der gelungensten Ausstellungen auf dem Fuori Salone. «Taxonomy of Joints» untersucht, wie im Produktdesign einzelne Elemente miteinander verbunden werden. Die Ausstellung «U-Joints» in der PlusDesign-Galerie versammelte Prototypen, Fragmente, Untersuchungen und fertige Produkte von über 50 Büros und Designern, darunter befanden sich auch 12 Ehemalige der ECAL. Kuratiert wurde die Schau von Anniina Koivu (Leiterin Designtheorie an der ECAL) und dem Architekten Andrea Caputo.

Sechs weitere ECAL-Alumni und ein Basler Designstudio zeigten Eigeninitiative und haben sich für ihren Mailand-Auftritt spontan zusammengetan. So entstand «Instant Collective». Das Kollektiv stellte an einer der Locations von «Ventura Future» aus. Apropos Zukunft: Das Thema scheint auf dem Salone nicht besonders salonfähig zu sein, viel eher brillieren Hersteller und Designer jedes Jahr durch das Vorführen des x-ten Stuhls und des abertausendsten Tisches. Nichts gegen Designobjekte an sich, der Mensch braucht auch Schönheit, aber man wird als Besucherin den Eindruck nicht los, dass dadurch auch viele Probleme ausgeblendet werden. Design kann die Welt nicht retten, aber durchaus Lösungen bieten. Solche Ansätze und Reflexionen waren mehrfach bei den Auftritten von «Ventura Future» zu finden.

Doch zurück zu «Instant Collective», das sich mit verschiedenen Entwürfen den heutigen Alltagsbedürfnissen gewidmet hat. Auch wenn die Objekte nicht revolutionär sind: Sie nehmen Bezug auf veränderte Gewohnheiten und versuchen, auf konkrete Fragestellungen zu reagieren. Etwa auf die Tatsache, dass viele Menschen einen Grossteil ihrer Zeit auf einem Stuhl sitzend verbringen. Daraus resultieren häufig Rückenprobleme und Konzentrationsschwierigkeiten. Der Stuhl «Moove» von Yasunori Morinaga wurde in Zusammenarbeit mit einem Neurologen des MIT entwickelt. Er besitzt eine zweigeteilte Sitzfläche, die Bewegung ermöglicht und dadurch das Hirn stimuliert. Auch optisch überzeugt der schlichte Stuhl. Viele Objekte von «Instant Collective» sind tragbar oder modular aufgebaut.

Dass man auch aus alten Fragmenten Neues schaffen kann, hat die Installation «Riesen mit Zwerg» von Stephan Hürlemann bei «Ventura Centrale» bewiesen. Die Szenographie für Horgenglarus war bereits am letzten «Designers’ Saturday» gezeigt worden. Auch Präsentationen kann man recyceln, denn für einmalige Auftritte ist der damit verbundene Aufwand schlichtweg zu gross. Das Mailänder Publikum goutierte die spielerische Darbietung mit den Figuren, die alle aus alten Stuhlteilen gefertigt waren. Auch die Jury des «Milano Design Award 2018» war von den wundersamen Wesen angetan: Die Installation wurde mit einem Award in der Kategorie «Unicorn» prämiert. In dieser Kategorie werden Hersteller ausgezeichnet, die durch eine innovative und überraschende Auseinandersetzung mit den eigenen Produkten auffallen.

Mit «In My Head» setzte die Genfer Kunst- und Designhochschule HEAD einen Kontrapunkt zu vielen Präsentationen. Auf 250 m² konnten Besucherinnen und Besucher in die Welt der Studierenden und Lehrkräfte eintauchen und einen Moment lang innehalten. Die unterschiedlichen Installationen, die unter der Leitung von Simon Husslein (Departement Innenarchitektur) entstanden, haben anschaulich vorgeführt, was an der Schule gelehrt und gelebt wird. Dabei zeigte sich, dass bewusst auch Wert auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit gelegt wird. Zusätzlich haben die Einrichtungen den Blick für die verschiedenen Facetten von Kreativität geöffnet. Diese Fähigkeit des Menschen schafft nicht nur Schön-Unnützes, sondern ist auch eine treibende Kraft für Innovation.