Doppelpack

Susanna Koeberle • 12.02.2019

© Mathieu Rohrer

Die Designerin Bertille Laguet hat einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen: Nach ihrer Ausbildung zur Produktedesignerin an der ECAL erlernte sie den Beruf der Schmiedin. Anfang Februar wurde sie mit dem erstmals verliehenen Preis des Schweizerischen Vereins für Kunsthandwerk ausgezeichnet.

© Jonas Racine

Designerinnen und Designer sind in der Regel vor allem in die Entwicklung der Idee eines Objekts involviert, weniger in seine Herstellung. Sich ins eigentliche Machen einzubringen und auch ganz konkret die Verantwortung für Produktionsprozesse zu übernehmen, stand schon zu Beginn der Karriere von Bertille Laguet im Vordergrund. Die junge Designerin stammt ursprünglich aus Frankreich und studierte zunächst Produktdesign an der ECAL in Lausanne. Dabei hat ihr familiärer Hintergrund ihren Werdegang stark geprägt. Ihr Vater war Inhaber einer Giesserei im französischen Jura. Mit dem Material Metall verbindet sie deshalb eine lange Beziehung, die bis heute ihre Arbeit kennzeichnet. Und zwar ganz handfest. Möchte man nämlich Bertille Laguet treffen, bekommt man eine Adresse in Chexbres, unweit von Lausanne. «Ich arbeite in der Schmiede», sagt sie, «ich habe kein Büro mehr».

© Federico Berardi

Was durch eine zufällige Begegnung entstand und eher als Hobby oder kurze, fachliche Vertiefung begann, ist zu einem Beruf geworden. Laguet liess sich zur Schmiedin ausbilden und wird später den Betrieb von ihrem Meister Philippe Naegele übernehmen. Ihre Leidenschaft für Metall und das Knowhow seiner Verarbeitung zeigte und entwickelte sich schon an der ECAL. Im Keim ist beides schon in ihrem allerersten Entwurf als Studentin vorhanden: kleine Tiere aus Metalldraht. In ihrem Abschlussprojekt, das später sogar zur Gründung einer eigenen Heizkörper-Firma führte, kommt dieser Hang zum Metallenen dann voll zur Entfaltung. Doch dazu später mehr.

«Mir gefällt die Idee, dass man sich um ein Objekt versammelt. Feuer steht ja am Anfang der Menschheit»

Fragt man sie nach den Gründen ihrer Faszination für diesen nicht gerade zugänglichen Werkstoff, kommt sie ins Schwärmen. Zu den Eigenschaften des Materials an sich gesellen sich auch persönliche Erinnerungen. An einen grossen Gusseisen-Ofen bei ihrer Grossmutter, den sie gerne berührte, obwohl man dabei aufpassen musste, so heiss war er. Oder an Momente, in denen sie sich daheim an die Heizung schmiegte und dort frühstückend die Wärme genoss. «Es sind solche Momente täglicher Freuden und Gewohnheiten, die ich mit diesem metallenen Gegenstand verbinde», erzählt sie. «Mir gefällt die Idee, dass man sich um ein Objekt versammelt. Feuer steht ja am Anfang der Menschheit», so die Handwerkerin. Überhaupt ist in ihren Augen die wichtigste Funktion von häuslichen Objekten ihr emotionaler Wert und weniger ihre praktische Funktion. Wo man sich zuhause fühlt, hat für sie nicht unbedingt mit Räumen als vielmehr mit Gegenständen zu tun. Das könne auch ein Stein sein – oder eine Postkarte. Dabei würden gerade der Tast- und Geruchsinn starke Emotionen vermitteln.

© Adventice Editions

«Heute vergisst man schnell die unterschiedlichen Texturen, die ein Material haben kann. Gerade bei handwerklich gefertigten Dingen findet man diese Vielfalt eher noch, da stecken viele Gedanken und Gefühle drin», findet sie. Eine der wichtigen Aufgaben von Gestaltung ist für sie das Schaffen von Objekten, die mit dem menschlichen Körper interagieren. Und gerade, weil Heizkörper im häuslichen Umfeld heute ein etwas kümmerliches Dasein führen und man diese am liebsten zum Verschwinden bringt, wollte sie daraus ein sichtbares Mobiliar mit einer eigenen Präsenz im Innenraum machen. Ein Statement schaffen, mit dem auch das Thema Energieverbrauch erfahrbar wird. Ihr Abschlussprojekt an der ECAL war der Heizkörper «B&M», wobei das Wort «Körper» dabei durchaus wörtlich zu nehmen ist. Dank seines stattlichen Volumens dient er auch als Sitzgelegenheit oder Ablage. Was seine Machart aus Gusseisen betrifft, sass Laguet durch den Betrieb des Vaters an einer perfekten Quelle. Durch die Gründung der Firma «Gris Fonte» konnte sie der serbelnden Manufaktur unter die Arme greifen. «Designerin zu sein, heisst für mich auch eine aktive Rolle zu übernehmen und ökonomisch zu denken», findet sie. Allerdings war ihr das alleinige Führen der Firma dann doch zu viel, trotz finanzieller Unterstützung von der «Ikea Stiftung Schweiz» und der Beratung durch den «Creative Hub». Sie habe in den zwei Jahren viel gelernt und konnte auch einige Heizkörper verkaufen, aber die junge Designerin wollte weiterkommen und neue Projekte anpacken. Zunächst noch in der Giesserei, wo sie mit neuen, günstigeren Produktionsmethoden experimentierte. In diesem Kontext entstanden verschiedene Objekte in limitierter Auflage: eine Bank, eine Leuchte sowie ein wunderschönes «Objet d’Art» namens «Kuro» – schwarz auf Japanisch.

© Mathieu Rohrer

© Mathieu Croizier

Parallel dazu begann sie Metall von einer neuen Seite zu erkunden: Die Schmiedekunst kam ins Spiel. Sie findet es schade, dass man dieses Handwerk in der Schweiz nicht mehr erlernen könne, es gebe keine Lehrstellen mehr. Dadurch gehe ein immenses «Savoir-Faire» verloren, das auch zur Identität der Schweiz gehöre, beklagt sie. Dass sie Anfang Februar mit dem erstmals verliehenen Preis des Schweizerischen Vereins für Kunsthandwerk ausgezeichnet wurde, erfüllt sie mit Stolz. Die Preisverleihung fand im Rahmen der Art Genève statt. Das ist nicht zufällig so, denn Kunst und Kunsthandwerk standen sich schon immer nahe, das haben auch die ausgestellten Artefakte bewiesen. Doch die Kunsthandwerkerin und Gestalterin glaubt, dass es diesbezüglich noch einiges zu tun gibt. Der Preis wird auch vom BAK sowie von der Michelangelo Foundation unterstützt. Diese Stiftung wurde vor einigen Jahren gegründet und hat sich ganz der Rettung des Handwerks verschrieben. In diesem Rahmen führt sie immer wieder Diskussionen darüber, wie der Beruf der Designerin und der Handwerkerin zusammen weiterkommen können. Denn häufig bleiben das technische Können und die Kreativität der Handwerker im Schatten der Idee. Die Arbeit von Bertille Laguet setzt dieser Wahrnehmung etwas entgegen.