«Urban Jungle – Indoor ist das neue Outdoor»

Conservatory of the Barbican Centre, London by Chamberlin, Powell and Bon, 1971; Foto: Barbican Centre

Sinnerlig-ikea-ikea-sinnerlig-tagesbett-couchtisch-teppich-kissen-sinnerlig-ikea-lamp; Foto: Ikea

Als die Londoner Designerin Ilse Crawford, eine der international erfolgreichsten Innenarchitektinnen, die Kooperation mit dem schwedischen Möbelhersteller eingegangen ist, konnte niemand ahnen, welche Auswirkungen diese Kooperation haben würde. Ihre visuelle Möbelinszenierung zeigt eine Art von Atelierstimmung wie in einer Gärtnerei mit Tischen, Hockern und Bänken aus Kork. In ihrer Vision verschmelzen Indoor und Outdoor, und diese Vision hat einen weltweiten Trend in Gang gesetzt. Spätestens damit war die Initialzündung ausgelöst und der Trend des «Guerrilla Gardenings» wurde definitiv nach drinnen verlegt. Pflanzen wurden damit zum neuen Interior-Trend. Das «Indoor Gardening» sorgt für eine Entschleunigung in unserer Gesellschaft.

Urban Jungle – Back to Nature

Dieser erste, grösser sichtbare Auslöser des heutigen «Urban Jungle»-Trends hat dafür gesorgt, dass das plötzliche Bedürfnis nach wilderen und natürlicheren Seiten in unseren Wohnungen die kühlen und leeren Lofts abgelöst hat. Nach den futuristischen 00er Jahren suchen wir nun nach dem Gegenpol, einer natürlichen unplugged-Version, nach echten Materialien mit Sustainability, die uns den inneren Frieden und Harmonie zurückbringen. Alle coolen Designstudios, ob in Brooklyn oder Paris, verfügen über grossblättrige Trendpflanzen wie die Geigenfeige im Henkelkorb als ihr neues Haustier. Die Hipster-Grosskonzerne haben kleine Wintergärten als Sitzungsräume und Entspannungsoasen, die als neuer Dreh- und Angelpunkt der jungen, digitalen Generation fungieren. Zimmerpflanzen wachsen wie ein grüner Faden durch unsere Wohnung vom Bad, übers Schlafzimmer, in die Küche, bis ins Esszimmer und machen so vor keinem Raum mehr halt. Es geht mittlerweile so weit, dass einige am liebsten ein Mini-Gewächshaus, einen Gemüse- oder Kräutergärten mitten im eigenen Wohnzimmer möchten. Das neue Motto lautet – «Indoor ist das neue Outdoor».

Foliage Filled Office By Space Encounters; Foto: Jordi Huisman

Foliage Filled Office By Space Encounters; Foto: Jordi Huisman

Wild-The-Moon-at-Robinsons; Foto: Wild-The-Moon

Pflanzenvirus – Von New York bis Paris

Man findet diesen Pflanzenvirus nicht nur in Blumengeschäften, Gärtnereien und Privatwohnungen wieder, sondern auch in Bars, Restaurants, Hotellobbys und Shops von Los Angeles bis Tokio. Mittlerweile geht es sogar so weit, dass man teilweise gar nicht mehr weiss, ob man in einem Büchergeschäft, einem Restaurant oder einem Blumenladen steht. Man entspannt sich in Bars mit Jungle Feeling, mitten in einem Meer aus Pflanzen, die an den Wänden hochklettern oder sich von der Decke hängen lassen. Dabei geniessen wir unseren grünen Fairtrade Smoothie, einen grünen Kaktus Cocktail oder ein Matcha Bier. Das grüne Fieber hält derweil Einzug in all unsere Lebensbereiche. Wir lassen die Interieurs, Möbel und Fashion ergrünen und machen einen regelrechten Kult um grüne Lebensmittel. Dabei spielt das Thema nachhaltiger und ressourcenschonender Produkte eine zentrale Rolle. Auch die vegane Bewegung mit ihrer neuen Optik für Shops und Verpackungen gibtdiesem flächendeckenden Pflanzenvirus einen starken Zusatzschub. Plötzlich sind auch die handgemachten Macramés mit Hängepflanze in den Metropolen dieser Welt wieder en Vogue.

Die neuen Stars – Monstera, Sukkulenten und Kakteen

Es gab eine Zeit, in der Zimmerpflanzen ein klares Statement für Bürgerlichkeit waren. Doch jetzt ist alles definitiv anders, und die grünen Begleiter erleben ein grandioses Comeback. Inzwischen ist eine regelrechte Community der «Plant Lovers» entstanden. Dieser botanische Wohnstil kombiniert mit Vintage-Möbeln und einer klar selektiven Pflanzenauswahl, die von Aloe, Sukkulenten, Echevaria, Monstera und Kakteen angeführt wird, spiegelt nicht nur eine globale Gemeinschaft von Pflanzenliebhabern wider, sondern auch unsere Gesellschaft und die Zeit, in der wir leben.

Die Stilikone Monstera und der altbekannte Gummibaum werden nach den 1960ern Jahren wieder zu neuen Kultpflanzen und lösen die weisse Orchidee ab.

Dass Pflanzen diesen starken Einzug in unsere Wohnungen halten, hängt auch mit dem Umstand zusammen, dass wir vermehrt Zeit drinnen an unseren Computern verbringen. Wir sehnen uns deswegen nach einem starken Ausgleich. Wer nicht täglich in den Wald kann, holt sich jetzt den Jungle nach Hause, getreu dem Motto «Back to Nature». Auch die Pflanzenmotive sind überall vertreten, unter anderem auf Tapeten, Schmuck, Servietten und sogar auf Kissen. Sie alle erinnern uns an Natur, Wald, Moos und gar an den Dschungel.

Ein Dschungel in New York

Ein schönes Beispiel des «Urban Jungle»-Trends ist auch das erste ökologische Top-Model Summer Rayne Oakes, die an der Cornell-Universität ihr Studium in Umweltwissenschaften als Jahrgangsbeste abgeschlossen hat. Sie ist eine klare Vorreiterin der Generation Y und trägt mit ihren neuen Visionen zur Prägung dieser Generation bei. In ihrem Brooklyner Apartment von gut 100 Quadratmetern hält sie mehr als 500 verschiedene Pflanzen. Wenn man ihr Loft betritt, ist es wie ein herrlicher Spaziergang durch den Dschungel. Dieser Rückzugsort mitten im reizüberfluteten Alltag von New York zeigt, dass Naturschutz innerhalb der eigenen vier Wände in einer Grossstadt beginnt. Summer Rayne Oakes hält heute hauptsächlich Fachvorträge und Vorlesungen über Naturschutz und Nachhaltigkeit. Mit ihrer Consulting-Agentur SRO berät sie junge ökologische Fashion-Labels. Zu ihren Vorbildern gehört Alexander von Humboldt, dessen Forschungen am Anfang des 19. JahrhundertsCharles Darwin beeinflussten und heute noch die Grundlage der Ökologie bilden. Verschiedenste Medien, unter anderem die The New York Times, haben von ihrer Arbeit berichtet. Das Magazin Amica zählt sie zu den Top 20 Trendsettern unter 40 Jahren und CNBC führt sie nicht grundlos in den 10 besten, grünen Unternehmer an.

Die Grüne Community

Ebenso hat der Münchner Igor Josifovic mit seinem «Happy Interior» Blog seine persönliche Nische – die Pflanzen – entdeckt. Er konnte nicht ahnen, was daraus wachsen würde. Zusammen mit der Pariserin Judith de Graaff hat er die Community «Urban Jungle Bloggers»gegründet. Sie glaubten, dass es noch mehr Menschen wie sie geben müsste, die ihr Zuhause mit Pflanzen verschönern wollten. Mit dieser Idee sind die beiden dermassen durchgestartet, dass es inzwischen einen Dschungel an Blogs für Gleichgesinnte gibt. Drei Jahre lang haben sie Inspirationen gesammelt, um das Handbuch «Wohnen in Grün» herauszugeben – die Selbstmach-Bibel zum Wohnen mit Pflanzen. Darin führen sie den Leser durch «grüne» Wohnungen in fünf europäischen Ländern und zeigen, wie schön, wie einzigartig und künstlerisch es sich mit Pflanzen leben lässt. Vorgestellt werden Zimmerpflanzen wie die schwebende, japanische Pflanze Kokedamas und deren Pflege und Ideen rund um den urbanen Dschungel geteilt. Die Liste mit solchen Beispielen lässt sich schier endlos fortsetzen. Der «Urban Jungle»-Trend wird uns noch eine lange Zeit begleiten. Lass dich doch auch vom Luxus des Pflanzenvirus verführen.

Meise (Belgique), Jardin National Botanique de Belgique – Palais des Plantes – Serre Victoria; Foto: Jean-Pol_Grandmont

Der Landschaftsarchitekt Dieter Kienast hat es auf den Punkt gebracht:

«Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er erfordert das, was in unserer Gesellschaft am kostbarsten ist: Zeit, Zuwendung und Raum.»