Reportage
Rainer Brenner • 06.12.2018

Feels Like Home

Wo beginnt dein Zuhause? Und was macht es aus? Wir haben drei Vielreisende in ihren vier Wänden besucht und mit ihnen über ihr Zuhause gesprochen.

«Ein eigenes Bett zu haben, in dem ich schlafen kann – auch wenn ich mitten in der Wüste stehe.»

«Seit zwei Jahren lebe ich von meiner Arbeit auf Instagram. Auf den Fotos nehme ich die Leute mit auf Reisen – hier in der Schweiz und wenn’s wieder wärmer wird, vor allem mit meinem VW-Bus ausserhalb der Landesgrenzen. Wenn ich unterwegs bin, ist das Auto mein mobiles Zuhause, so was wie ein Schneckenhaus.

Als ich alleine durch Marokko gefahren bin oder im Iran unterwegs war, habe ich das schon sehr geschätzt, abends mein eigenes Bett zu haben, in dem ich schlafen kann – auch wenn ich mitten in der Wüste stand. Privatsphäre und ein bisschen Komfort sind mir schon wichtig, ich mag’s gerne gemütlich. Zudem gibt mir der Bus die Freiheit, hinzureisen wohin ich will, ohne viel organisieren zu müssen. Wahrscheinlich ist es dieser Mix, der bei meinen Followern eigene Sehnsüchte weckt.

Gefallen hat es mir an vielen Orten auf dieser Welt, wirklich zuhause habe ich mich auf meinen Reisen bisher aber nirgends gefühlt. Woanders zu leben als hier im Bündnerland, könnte ich mir momentan nicht vorstellen. Vor allem seit ich mein eigenes kleines Reich hier in Latsch besitze: eine doppelstöckige, gemütliche Eigentumswohnung in einem renovierten Bauernhaus.

Wo mein Zuhause anfängt und aufhört, ist aber schwer zu sagen: Einerseits sind es sicherlich die Berge, andererseits die Sprache, das Essen, die Familie… Und definitiv meine beiden Büsis!»

Martina Bisaz alias @kitkat_ch ist Influencerin und Travel Bloggerin. Sie stammt aus Zizers, GR und lebt in Latsch bei Bergün.

«Die Wohnung ist meine analoge Oase.»

«Mein Zuhause ist Zürich. Hier bin ich aufgewachsen und diese Stadt hat mich geprägt. Obwohl es für mich nicht infrage käme, dauerhaft von hier wegzuziehen, bin ich viel in anderen Städten unterwegs. Dort gibt es ebenfalls gewisse Orte, an denen ich mich fast zuhause fühle. Zum Beispiel in der Wohnung meines Kollegen in Stockholm: Wir sitzen dort zwischen all seinen Vinyl-Platten, hören Musik und quatschen. Allgemein verbinde ich den Begriff Zuhause sicherlich auch mit Freunden und Menschen, mit denen ich gemeinsame Interessen und Orte teile.

In meiner 3-Zimmer-Wohnung lebe ich seit knapp sechs Jahren. Gegenstände, die mir hier besonders wichtig sind, sind meine Lieblingsplatten, meine Lieblingsbücher, mein Bett, gewisse Bilder und Kunstwerke. Und meine Vasen-Sammlung aus verschiedenen Teilen der Welt. Im Allgemeinen versuche ich aber, nicht allzu viele Dinge zu horten, die ich nicht unbedingt brauche. Darum miste ich regelmässig aus, verschenke Vieles. Diese Wohnung ist übrigens meine analoge Oase: Hier gibt’s keinen Fernseher und auch kein Internet; der Laptop bleibt im Büro. Viel lieber als vor dem Bildschirm sitze ich abends in meiner Chaiselongue und lese. Oder ich setze mich an den Tisch, wo ich gerne zeichne oder Puzzles mache – zuletzt eine Weltkarte mit 1’000 Teilen.»

Evangelos Kleiman lebt im Zürcher Kreis 7 und will seinen Alltag nicht auf eine Berufsbezeichnung beschränken.

«Wenn ich in meine privaten Klamotten schlüpfe, fühlt sich das wie Ankommen an.»

«Diese Businesswohnung hier in Zürich miete ich seit genau drei Monaten. Ein gemütliches Zuhause ist das definitiv nicht, aber durch das viele Reisen stelle ich nicht allzu viele emotionale Ansprüche an meine jeweilige Umgebung, sondern suche eher nach Funktionalität: Internet, Dusche, Kühlschrank. Die Abläufe müssen schnell funktionieren, und es muss sauber sein.

Etwa zwei Mal pro Woche schlafe ich hier in Zürich, weitere drei bis vier Nächte in irgendwelchen Hotels. Wirklich daheim fühle ich mich aber in Stuttgart, wo ich die meisten Wochenenden verbringe – in meiner eigenen Wohnung oder bei meiner Freundin. Ebenfalls zuhause fühle ich mich, wenn ich zusammen mit meinen Freunden unterwegs bin. Dann ist es mir eigentlich auch egal, in welcher Stadt wir gerade sind.

Ein wichtiger Rückzugspunkt ist sicherlich auch meine Kleidung: Wenn ich meinen Anzug ausziehe und in meine privaten Klamotten schlüpfe, fühlt sich das wie Ankommen an.»

Manuel Hausin, 38, stammt aus der Bodensee-Region und arbeitet als Unternehmensberater bei PwC.

Zuhause muss nicht zuhause sein

Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung und sogar 36 % der Schweizer Städter fühlen sich an Orten ausserhalb der eigenen vier Wände mehr zuhause als daheim. Dies belegen Umfragen des aktuellen «Life at Home Reports» von IKEA. Besonders ausgeprägt ist der Trend bei Befragten, die in Wohngemeinschaften mit Freunden oder Fremden leben. Dabei handelt es sich um ein globales Phänomen: Rund 29 % der weltweit 22.854 befragten Personen fühlen sich an Orten ausserhalb ihres Wohndomizils mehr zuhause als an der eigenen Adresse. Besonderen Wert legen die Schweizerinnen und Schweizer in ihrem Zuhause auf Privatsphäre (86 %), Sicherheit (83 %) und Komfort (73 %).