Der Solarkiosk ist eine mobile Box und ein Stück soziale Infrastruktur: Er liefert nicht nur nachhaltige Energie, sondern ist auch ein Service- und Kommunikationszentrum. Mit seinen vielfältigen Angeboten wirkt er direkt in die Gemeinschaft hinein – als Verteilstation, Existenzgrundlage für seine lokalen Betreiber, Arbeitsplatz, Informationsbörse, Gesundheitsdienstleister und Veranstaltungsort.

Giulia Bernardi • 06.11.2018

«Kann Design die Gesellschaft verändern?»

Social Design ist die Gestaltung der Gesellschaft mit der Gesellschaft. Wie das geht, zeigt die gleichnamige Ausstellung im Museum für Gestaltung Zürich, die noch bis Anfang Februar zu sehen ist.

«Kann Design die Gesellschaft verändern?», wird man als Besucherin oder Besucher gefragt, bevor man den Ausstellungsraum betritt. Dies entspricht auch der Leitfrage der Schau ‹Social Design›, die diese Antwort anhand von 25 nationalen und internationalen Projekten zu beantworten versucht. «Bei der Auswahl der Projekte haben wir auf deren soziale und gestalterische Qualität geachtet, aber auch auf die Transparenz der damit verbundenen Prozesse», sagt die Kuratorin Angeli Sachs. «Es sollte nachvollziehbar sein, wie gearbeitet wurde und welcher Dialog zwischen den Beteiligten stattfand.»

Ein Projekt, das diesen Kriterien entspricht, ist der Webstuhl ‹Flying8› von Andreas Möller. Im Rahmen eines Umschulungsprojekts für Handweberinnen und -weber in Äthiopien fiel dem deutschen Unternehmer auf, dass die preiswerte und zeitlich nahe Verfügbarkeit von Webstühlen für die lokale Bevölkerung oft nicht gewährleistet ist. Um Abhilfe zu schaffen, entwarf er eine Anleitung, mit der ein Webstuhl mit einfachen Materialien innerhalb weniger Tage gebaut werden kann. So besteht dieser etwa aus Holz, Pappe oder Schnüren und kann ohne Bohrer oder andere elektrische Werkzeuge zusammengesetzt werden.

Eine einfache Idee, die nachhaltige Produktionsbedingungen schuf und die Existenzgrundlage vieler Arbeiterinnen und Arbeiter sicherte. «Projekte wie dieses nehmen Einfluss auf gesellschaftliche Bedingungen und bringen eine nachhaltige Veränderung mit sich», erläutert Angeli Sachs.

Ein weiteres Beispiel ist die Solarleuchte ‹Little Sun› von Olafur Eliasson und Frederik Ottensen, die den Menschen dienen soll, die in Regionen ohne Stromversorgung leben; wird die Leuchte mindestens fünf Stunden in der Sonne aufgeladen, spendet sie bis zu 50 Stunden Licht. Jedes Exemplar, das zu einem höheren Preis in elektrifizierten Weltregionen verkauft wird, sichert das Angebot zu einem niedrigeren Preis in Gegenden ohne Strom.

Ähnlich wie ‹Flying8› nimmt auch ‹Little Sun› Einfluss auf gesellschaftliche Bedingungen und ruft Missverhältnisse wie Ressourcenknappheit und mangelnde Zukunftschancen, wie sie in vielen Ländern bestehen, in die Erinnerung zurück: Rund 15 Prozent der Weltbevölkerungmussten nämlich 2017 ohne Strom leben.

Um dem Ungleichgewicht von Ressourcen und Produktionsmitteln, Bildung und Zukunftschancen entgegenzuwirken, muss sich die Gesellschaft neu organisieren und sich überlegen, wie sie die Welt von morgen gestalten möchte. Dabei müssen nicht nur Designerinnen und Designer, sondern auch Konsumentinnen und Konsumenten soziale und ökologische Verantwortung übernehmen.

Die Ausstellung ‹Social Design› ist bis zum 3. Februar 2019 im Museum für Gestaltung Zürich zu sehen.
Markus Kraft © ZhdK

Diese Notwendigkeit kommt auch in der Ausstellung zum Ausdruck, in der man sich als Besucherin oder Besucher einbringen kann: Indem man weitere Social-Design-Projekte vorschlägt oder auf einer Karte der Stadt Zürich die Orte markiert, die hinsichtlich sozialer, ökologischer oder wirtschaftlicher Nachhaltigkeit Potential haben. «Gerade bei diesem Thema spielt die Beteiligung eine wichtige Rolle», meint Angeli Sachs. «Ausserdem eignet sich die Ausstellung, um eine Diskussion anzuregen.» So sind die 25 Projekte lediglich Beispiele und lassen über die Umstände nachdenken, die noch verändert werden können.

Projektbeispiele
Social Design im Museum für Gestaltung

Warka Water bietet Landbewohnern, für die der Zugang zu sicherem Trinkwasser sonst kaum möglich ist, eine alternative Wasserquelle. Der Wasserturm sammelt Regenwasser und fängt in seinen Netzen Tau und Nebel auf, um durchschnittlich 100 Liter Wasser pro Tag aus der Luft zu gewinnen. Dorfbewohner können den Turm mit einfachen Werkzeugen aus lokalen Materialien bauen und selbst betreiben. 

M-Pesa ist ein mobiles Geldtransfersystem, das finanzielle Transaktionen via Mobiltelefon ermöglicht. M steht dabei für mobil, Pesa heisst Geld auf Suaheli. Das 2007 vom kenianischen Telefonanbieter Safaricom eingeführte System ist heute in zehn Ländern vertreten und wird von etwa 30 Millionen Menschen aktiv genutzt. 

In Gebieten mit schwacher Infrastruktur lassen sich mit dem Dienst M-Pesa Überweisungen per SMS tätigen, ohne im Besitz eines Bankkontos, einer Kreditkarte oder einer Internetverbindung zu sein. So eröffnet M-Pesa grossen Teilen der kenianischen Bevölkerung den Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. 

Links: Das interdisziplinäre Kollektiv Assemble arbeitet mit dem Granby Four Streets Community Land Trust (CLT) und Steinbeck Studios an einer nachhaltigen und schrittweise wachsenden Zukunftsvision für das Viertel Granby Street. Sie bauen dabei auf den bisherigen Anstrengungen der Bewohner auf und renovieren Wohnräume und öffentliche Flächen, schaffen aber auch Arbeitsmöglichkeiten und unternehmerische Chancen. Der Granby Winter Garden (seit 2015) ist ein neuer Gemeinschaftsraum im Herzen des Wohnviertels. Rechts: Der Masterplan Meat Market District entstand als Massnahme für öffentliche Räume, bei denen gemeinschaftliche Ziele im Vordergrund stehen. Ein industrielles Schlachthofgelände in einem Einwandererviertel in der Nähe des Brüsseler Hauptbahnhofs soll nach und nach in ein gemischt genutztes städtisches Milieu umgewandelt werden. Als erste architektonische Massnahme eröffnete 2015 die Markthalle Foodmet. 

Der Campo Libero (The Innocent House) entstand für die italienische Organisation Libera (Associazioni, nomi e numeri contro le mafie). Unter anderem kümmert sich die NGO darum, Land, das von der Mafia in Süditalien konfisziert wurde, zu reaktivieren und ein legales ökonomisches System zu etablieren. Dieses beruht auf sozialer Gerechtigkeit und schafft Existenzgrundlagen, die die Umwelt und die Würde der Arbeiter respektieren. 

Die Gärten sind praktische Modelle nachhaltiger Landwirtschaft und lassen sich einfach reproduzieren. Sie könnten den Weg zu einer alternativen Entwicklung in Afrika weisen, bei der die Herstellung von Lebensmitteln an lokale Gemeinschaften und an das Bewusstsein für die Erhaltung der Umwelt gebunden ist. 

Francis Kéré ist davon überzeugt, dass Architektur ein Mittel für kollektiven Ausdruck und Stärkung des Gemeinwesens sein kann. Darum bezieht sein Büro die Bedingungen vor Ort in seine Entwurfs- und Konstruktionsansätze ein und arbeitet eng mit lokalen Gemeinschaften zusammen. 

Fotografie: Copyright bei den Bildern, Ausstellung Social Design im Museum für Gestaltung, Zürich