«Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen der Arbeit mit Glas und der Architektur»

Patricia Lunghi • 13.02.2018

Die in Basel lebende italienische Architektin Laura Sattin entwirft elegante Objekte aus Glas, die sie in den Manufakturen von Murano in Venedig fertigen lässt. Ihre Kreationen sind von der Lagune inspiriert, und ihre Arbeit trägt dazu bei, dass die alte Glasbläserkunst weitergeführt wird. Was sie dazu motiviert, mindestens einmal im Monat nach Murano zu fahren, erzählt sie uns in einem Gespräch.

 

Objekte aus Glas

 

Patricia Lunghi: Warum haben Sie das Material Glas gewählt? Was fasziniert Sie daran?

Laura Sattin: Schon als Kind war ich im Geschäft meiner Mutter in Venedig von Dingen aus Glas umgeben, und ich durfte sie immer begleiten, wenn sie neue Objekte auswählte. Das Material ist mir also schon seit jeher vertraut. Später gewann ich einen Wettbewerb und durfte dank der Unterstützung des Glasmuseums von Murano meine erste Kollektion entwerfen. Glas ist solch ein formbares Material mit einer so reichen Geschichte und unzähligen künstlerischen Anwendungsbereichen und Technologien, die ich nie müde werde zu erforschen.

 

P.L.: Sie sagen, die Formen Ihrer Kreationen seien mit Geschichten verbunden, was meinen Sie damit?

L.S.: Für ein Projekt muss ich mir «eine Geschichte ausdenken», die meine Arbeit leitet. Jede meiner Kollektionen ist an einem Thema erkennbar, das dem Projekt seinen Sinn gibt und dessen Identität stärkt. «Caìgo», zum Beispiel, bedeutet im venezianischen Dialekt «Nebel» und ist der Name einer Kollektion von grauen Gläsern: Das transparente Glas wird umgedreht auf das sandgestrahlte Glas gesetzt, was ein Bild von Nebel auf dem Wasser der Lagune entstehen lässt.

 

P.L.: Mit welchen Techniken arbeiten Sie?

L.S.: Ich untersuche unterschiedliche handwerkliche Techniken der freien Glasbläserei, ohne Verwendung einer Form. Im Moment arbeite ich mit der Filigran-Technik und mit geblasenem Gold, beides alte und komplexe Techniken. Ich versuche, meine Designs einfach zu halten, damit ich mich auf das Material konzentrieren kann. Für die Kollektion «Polline», die ich dank der Unterstützung der Ikea Stiftung Schweiz entwickeln konnte, arbeite ich mit 24-karätigem Blattgold, das auf dem geschmolzenen Glas aufgebracht wird. Das Gold wird in einen Spezialofen geblasen und breitet sich dann wie feiner Staub, der an Blütenpollen erinnert, auf dem Glas aus.

 

P.L.: Wie ist es um das Glashandwerk in Murano bestellt? Gibt es dort Nachwuchs?

L.S.: Es gibt zwar ein paar junge Glasbläser, aber die meisten sind nicht in die Fussstapfen ihrer Väter getreten. Das Glas ist weiterhin eine wichtige Lebensgrundlage für die Einwohner der Insel Murano, aber die Herstellung wird schwieriger. Neue Gesetze untersagen die Verwendung bestimmter Substanzen, die nach den überlieferten Rezepten benötigt werden, die Kosten für das Gas für die Öfen sind sehr hoch und die Produktionszeiten sehr lang. Trotzdem glaube ich, dass das Glashandwerk eine Zukunft hat. Mir scheint sogar, dass es einen Trend gibt, diese Berufe, das Fachwissen und die traditionellen Techniken, die die Identität der Orte ausmachen, wieder aufleben zu lassen. Auch ich versuche, auf meine Art dazu beizutragen, die Glaskunst am Leben zu erhalten.

Fotografie: Giovanni Comparelli
Video: Lisa Boeffgen