«Langlebigkeit relativiert ‹teuer›»

Raphael Rossel • 10.02.2017

Der Grossvater gab den Namen, das Erzgebirge die Handwerkskunst: Florian und Tobias Hilbert über ihr Label «Arno Wolf».

Das Basler Label «Arno Wolf» steht für kunsthandwerkliche Traditionen aus dem Erzgebirge. Werte, die auch für dessen Produkte stehen. Deren Reiz liegt in Anmut, Ruhe und Sachlichkeit. Im Gespräch erklären die beiden Gründer, was es mit diesen Qualitäten auf sich hat.

Hinter «Arno Wolf» stecken die beiden Brüder Florian und Tobias Hilbert, sie hatten 2010 in Basel ihr Label für Wohn-Accessoires und Möbel gründetet. Arno Wolf hiess auch ihr 1968 verstorbener Grossvater, der im Erzgebirge zusammen mit seiner Frau – einer Schneidermeisterin – einen Textilbetrieb aufgebaut hatte. Nicht nur seiner prägenden Rolle wegen erweisen sie ihm Referenz. Der Name wurde zum Synonym, wofür die Handwerksbetriebe im Süden des ehemaligen Ostdeutschlands an der Grenze zu Tschechei bekannt sind: einzigartige kunsthandwerkliche Techniken, Manufakturen und qualitativ hochstehende Fabrikate.

Auf diesem Fundament aus Know-how, Geschichte und Produktionsstätten bauen die beiden seit Anbeginn ihre Kollektion behutsam auf und aus. Florian, er hat in Basel an der HGK Innenarchtektur und Szenografie studiert und sein Bruder Tobias, der Teile seines Architekturstudiums an der ZHAW in Winterthur absolvierte, entwerfen die Produkte selber. So können sie innovativ mit den technischen Möglichkeiten der Handwerksbetriebe und den Fähigkeiten der Arbeiter umgehen und sich gleichzeitig auf die Materialien einlassen, die in den Manufakturen verarbeitet werden. Denn vielleicht, so ihre Hoffnung, gelinge es ihnen einmal, gar eine neue Formensprache ins Erzgebirge zurück zu bringen.

Was treibt Euch an, die Traditionen aus dem Erzgebirge auf «Arno Wolf»-Produkte zu übertragen?

Arno Wolf: Das Wissen um die handwerkliche Kultur ist unsere Grundlage. Durch seine spezielle historische Entwicklung im Erzgebirge wurden neben dem Handwerk auch einzigartige Techniken und Fertigkeiten entwickelt. Es spornt uns an, dieses Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten durch neue Formen zu erhalten und sichtbar zu machen.

 

Im Selbstverständnis ist man entweder Designer oder Produzent. Ihr vereint beide Rollen. Wie kommt Ihr damit klar?

AW: Die Kombination aus Design und Produktion schränkt uns vielleicht in gewissen Dingen ein, sie lässt uns aber auch die Möglichkeit, den gesamten Ablauf zu kontrollieren. Unser Designprozess wird sehr direkt von den Herstellungsmöglichkeiten und Techniken bestimmt, die wir vor Ort finden.

Wie muss man sich Euren Entwurfsprozess vorstellen?

AW: Dieser spielt sich im Team ab. Ein wenig funktioniert das wie an einer Hochschule; einer entwickelt eine Idee, skizziert sie kurz auf, präsentiert sie und muss sich der Kritik und den Fragen des anderen stellen. Danach wird gemeinsam entschieden, ob wir die Idee weiter verfolgen oder nicht. In diesen Prozess schliessen wir auch befreundete Designer und Architekten ein und fragen nach deren Meinung. Aktuell entwickeln wir gerade ein Produkt in Zusammenarbeit mit Architekten aus London.

 

Was fordert Euch als Designer am meisten?

AW: Die grössten Herausforderungen bestehen einerseits darin, aus der Vielzahl von Ideen und Projekten die interessantesten und «richtigen» auszuwählen. Andererseits versuchen wir sehr «unaufgeregtes» Design zu entwickeln. Damit läuft man natürlich immer auch Gefahr, in das Alltägliche und Banale zu kippen.

 

Beide habt Ihr die Ausbildung in der Schweiz absolviert und seid geblieben. Was gab den Ausschlag, nicht zurückzukehren?

AW: Die Gründe, in der Schweiz zu bleiben, sind vielseitig und natürlich spielte auch die Liebe eine Rolle. Für uns war es beeindruckend, zu sehen, welchen hohen Stellenwert Design hier erfährt.

 

Die Schweiz steht für Präzision und Qualität; ein besonders fruchtbarer Boden für ein Label wie Eures?

AW: Ja, denn wie eben erwähnt ist unser Design «unaufgeregt». Etwas, das auch die Schweiz ausmacht und uns mitgeprägt hat. Wir finden immer wieder gewisse Parallelen zwischen manchen Regionen der Schweiz und dem Erzgebirge. So inspiriert uns zum Beispiel die Materialsammlung im Gewerbemuseum Winterthur. Im Erzgebirge gibt es ähnliche Dinge. Nur dass diese dort viel schwieriger zu finden sind und entdeckt werden wollen. Interessanterweise aber haben wir in den letzten Monaten vermehrt Anfragen von ausserhalb der Schweiz erhalten.

Auswahl von Arno Wolf

Ihr erweist mit Eurem Label dem Erzgebirge und den handwerklichen Traditionen Referenz. Wie wichtig ist dem Kunden die Herkunft der Produkte?

AW: Wir glauben, es geht nicht darum, dass die Produkte eine Geschichte aus dem Erzgebirge erzählen. Sondern es geht mehr um die Geschichte an sich: Für uns ist es wichtig, einen Bezug zwischen Kunde und dem Ursprung herzustellen. Wer hat es hergestellt? Wo wurde es produziert? Wie wurde es verarbeitet?

 

Ihr habt Euer Label 2010 gegründet – kurz nach der Wirtschaftkrise. Wie schwierig war es, in diesem Umfeld vergleichsweise teure Produkte auf den Markt zu bringen?

AW: Unser Ziel ist es, Produkte zu entwerfen, die in ihrer Funktion und Gestaltung langlebig sind. Somit relativiert sich der Begriff «teuer». Wir denken, unsere Kunden teilen diese Ansicht.

 

Im Mai 2014 eröffnetet Ihr einen Laden: Ein rentabler Schritt für ein so junges Label?

AW: Florian arbeitet im Moment hauptsächlich für Arno Wolf und realisiert als Innenarchitekt den Umbau eines Ferienhauses im Erzgebirge, während Tobias vorwiegend als Architekt für sein 2014 gegründetes Büro arbeitet. Durch die räumliche Verbindung von Atelier, Architekturbüro und Laden überschneiden sich beide Welten und wir können viele Synergieeffekte nutzen und ein breiteres Publikum ereichen. Die Parallelität ist zwar intensiv, aber wir waren dadurch nie wirklich einem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Dadurch konnte das Label organisch und mit einem überschaubaren Risiko wachsen.

 

Ein eigener Laden ist, wovon andere Labels träumen. Eine ratsame Investition in Zeiten, wo online Shops bald den realen den Rang ablaufen?

AW: Qualitäten wie Haptik und das Erfahren des Gewichts eines Kerzenständer kann ein Onlineshop nicht bieten. Gerade im Zusammenhang mit unseren Entwürfen spielen solche Aspekte eine wichtige Rolle.

 

Designern wird oft vorgeworfen, schöne aber teure Dinge in die Welt zu setzten, die man nicht wirklich braucht..?

AW: Wir leben in einer Welt des Überflusses und des Konsums. Viele Menschen möchten nur noch wenige Dinge besitzen die sie bewusst ausgewählt haben. Wir versuchen genau solche Lieblingsstücke zu entwerfen.

Kaufen: Sämtliche Produkte können auf dem Webshop von Arno Wolf bezogen werden: http://www.arnowolf.ch/arnowolf.php#produkte

Fotografie: Arno Wolf GmbH