«Ich bin ein Materialfreak»

Raphael Rossel • 09.10.2015

Designerin Stéphanie Baechler bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Material, Mode und Kunst. Ein Portrait.

Als Grenzgängerin zwischen den Disziplinen spielt die Textil- und Fashiondesignerin Stéphanie Baechler auf der Klaviatur aus Materialien, Techniken und Intuition. Während eines Atelieraufenthaltes am Keramikzentrum EKWC in Oisterwijk (NL) entwickelte die mehrfach preisgekrönte Designerin auf ihrer Suche nach einer eigenständigen Position zwischen Mode und Kunst Objekte aus Keramik: Kleiderbügel, Reissverschlüsse, Regenschirme.

«Nein», sagt Stéphanie Baechler zu Beginn des Gesprächs, «für mich war die Zeit am EKWC in Holland keine Auszeit im Fashionbusiness sondern eine Brücke hin zur Kunst und eine Auseinandersetzung mit einem Material, das mich seit langem fasziniert». Die acht monatige Arbeit mit Ton gaben ihr die Gelegenheit, sich dem hohen Branchentempo zu entziehen und die Schnelllebigkeit in der Mode zu hinterfragen. In erster Linie aber schuf der Aufenthalt den Rahmen, ihre skulptural geprägte Arbeitsweise zu erweitern und auszuprobieren, was herauskommt, wenn man Ton wie ein textiles Mittel oder Accessoire behandelt.

Der Brennvorgang im Ofen setzt dem Ton und dem Porzellan andere zeitliche Massstäbe und seiner Formbarkeit ein Ende. Im übertragenen Sinn trifft dies auch auf Stéphanie Baechler zu, bekräftigte der Aufenthalt in Oisterwijk den Aufbruch in ein neues Selbstverständnis als Gestalterin. Er konkretisierte, was sie in den Berufsjahren zuvor erfuhr. Trotz ihres Erfolgs – sie gewann 2014 zum dritten Mal einen Swiss Design Award – habe sie ihren Platz in der Mode nie richtig finden können. Zu gross sei ihr Interesse an Materialien, zu ausgeprägt ihr Drang, mit unterschiedlichsten Rohstoffen in einen Dialog zu treten und sich mehr von ihrer Wesensart als einer unmittelbaren Zielsetzung leiten zu lassen.

Zentrales Motiv in Stéphanie Baechlers Arbeit ist die intuitive Auseinandersetzung mit den materiellen Beschaffenheiten, Strukturen und ihrer Überlagerung hin zu einem skulpturalen und vor allem dauerhaften Ganzen. Ihre Arbeit ist gezeichnet von der Lust, den Materialeinsatz und gängige Verwendungsmuster zu hinterfragen, neu zu interpretieren, zu verknüpfen und schliesslich festzuhalten.

In Oisterwijk experimentierte sie mit der Biegsamkeit des Tons, drapierte und faltete ihn wie Stoff zu neuen Texturen und Interpretationen. So markiert der mit dunkelgrünen Tontafeln bestückte Regenschirm, um was es ihr im Kern geht: Feste Muster aufzubrechen und das Produkt durch den Austausch von Materialien in ein neues Verständnis und eine neue Wertigkeit zu überführen.

Ihre Kleiderbügel aus Ton entspringen demselben Gedanken. Ein profanes Produkt wie ein Kleiderbügel, Massenware schlechthin und millionenfach eingesetzt und weggeworfen, erfährt in der Version von Stéphanie Baechler eine Aufwertung zum Kunstobjekt ohne dabei in der Aura des Unberühr- oder Unbrauchbaren stecken zu bleiben. Jeder Bügel ist ein Unikat und in seiner Beschaffenheit anders. Deren Oberflächen, Farben und Muster geben die Sensibilität wieder, mit der die Designerin jeden einzelnen gestaltet hat, als wäre er ein Teil der neusten Mode- oder Textilkollektion.

Wohin die nächsten Schritte sie führen? Sie lässt es offen. Und lässt ebenso keinen Zweifel daran, dass ihr die Arbeit als Autorendesignerin im Spannungsfeld zwischen Material, Mode, Kunst und Kunsthandwerk jenen Freiraum verspricht, den sie für sich in Anspruch nehmen will. «Ich bin ein Materialfreak», sagt sie «und begegne den Aufgaben mit einer gestalterischen Autonomie, um mich auf den jeweiligen Rohstoff und Kontext einzulassen». Sicher ist indes: Sie will nicht das unendlich Multiplizierbare herstellen, sondern jedem Material als Ausgangspunkt eines ganz persönlichen Entwurfs begegnen.

Stéphanie Baechler

Die Freiburgerin Stéphanie Baechler, Jahrgang 1983, studierte von 2005 bis 2008 an der Hochschule Luzern HSLU Textildesign. Danach arbeitete sie bis 2011 als Designerin für das Textilunternehmen Jakob Schlaepfer in St. Gallen. An der Kunsthochschule artEZ in den Niederlanden machte sie von 2011 bis 2013 den Master in Fashiondesign. 2013 bis 2014 arbeitete sie als design assistent und textile developer für Hussein Chalayan in London. Die mehrfach ausgezeichnete Designerin, sie erhielt für ihre Werke 2009, 2011 und 2014 einen Swiss Design Award und 2011 den Design Preis Schweiz, lebt und arbeitet heute in Genf.