Macramé – die neue Art der Entschleunigung

Knoten, Knüpfen, Flechten: die neue Art des Entschleunigens: Lange Zeit war Macramé out, nun feiert es als Interior-Trend sein phänomenales Comeback. Es avanciert zum Must-Have von Berlin über London und New York bis nach Tokio und ist in den angesagten Concept Stores sowie in den hipsten Restaurants wieder zu entdecken. Die Macramé-Welle hat die Wohnblogs mit Knüpfanleitungen regelrecht überflutet. So knüpfen DIY-Fans mit flinken Fingern Knoten um Knoten in den Wohnzimmern dieser Welt und verwandeln mit den Pflanzenhängern und Wandteppichen aus Macramé jeden Raum in eine stylischen Galerie.

Alte Handwerktechniken zum Entschleunigen
Aber wieso lieben wir diese handgeknöpfte, traditionsreiche Art der Textilienherstellung, des Macramé? Die digitale Revolution hat unseren Alltag radikal verändert und führt unter anderem zu einem grundlegend veränderten Konsumverhalten. Es zeichnet sich eine Bewegung vom Digitalen hin zum Haptischen ab, die sowohl in Architektur, Design, Interior wie auch bei Food, Lifestyle und Fashion zu beobachten ist. Etliche Menschen sehnen sich plötzlich danach, wieder selbst etwas herzustellen. Aus der «Do It Yourself»-Bewegung ist eine regelrechte «Do It Yourself»-Generation geworden, angeführt von der Generation Y. Gewünscht sind Unikate und natürliche Materialien. Eine Folge davon ist das grosse Comeback von Macramé, die Kunst der handgeknüpften Textilien, im Interior-Bereich. Die Magie dabei ist, dass Macramé viel Zeit, Ruhe und Zuwendung braucht, etwas Meditatives hat, was die Y-Generation sehnlich vermisst.

 

Eine Generation auf der Suche nach innerem Frieden
Auf der Suche nach innerem Frieden und Harmonie geht die neue, digitale Generation Y einen ganz eigenen Weg. Als Gegenbewegung zu Sofortness ist ihr Mantra Entschleunigung. Ihr elementares Bedürfnis heisst Work-Life-Balance. So verwundert das grosse Comeback von Macramé nicht. An die Spitze dieser Bewegung gehört die amerikanische Textilkünstlerin Sally England, die sich seit 2010 intensiv mit dieser alten Technik auseinandersetzt und die Schönheit des Knotens neu zelebriert. Sie hat das traditionelle Handwerk durch ihre grossformatigen Macramé-Kunstwerke mit unglaublich zeitgemässer Optik ins jetzt und heute katapultiert. Ihr Werk spiegelt die Sehnsucht unserer Gesellschaft nach Unikaten, natürlichen Materialien und Entschleunigung. Sie vereint sowohl die grosse technische Fertigkeit als auch die spielerische Spontaneität der Generation Y. Dieser neue Hippies-Style mit Bohémien Chic verbreitet sich wie ein Virus um die ganze Welt. Zahlreiche Macramé-Künstlerinnen wie Lise Silva mit ihren Halsketten aus Macramé oder die deutsche Vorreiterin Dörte Bundt mit ihren Workshops ebnen das Bewusstsein für eine neue Art der Nachhaltigkeit und des Heritage.

Die Macramé-Vorreiterin – Sally England
Die neue «Hippie Generation 2.0» und ihre Macramé-Bewegung werden eindeutig von Sally England angeführt. Geboren 1979 in Ann Arbor, Michigan, verbrachte sie ihre Kindheit umgeben von mystischen Seen, Wäldern und Feldern. Dadurch entdeckte sie ihre tiefe Verbundenheit zur Natur. Aufgewachsen in zweiter Generation einer Künstlerfamilie wurde auch ihre taktile Liebe für natürliche Fasern und Textilien bereits früh geweckt. Als Kind entdeckte sie ein Buch über Macramé, das ihrer Mutter gehörte. Sie hat zuerst ihren Bachelor in «Communication Arts» abgeschlossen und nebenbei begonnen alte Macramé–Bücher zu studieren. Angetrieben von ihrer Ehrfurcht vor dem traditionellen Handwerksprozess machte sie 2010 ihren Master MFA in «Applied Craft & Design» in Portland, Oregon und erforschte dabei intensiv die alte Knotentechnik. Danach kehrte Sally England in ihren Heimatstaat Michigan zurück und eröffnete ihr Studio in einer alten viktorianischen Wohnung. Fernab von jeglicher Schnelllebigkeit einer Grossstadt hat sie hier ihre Basis, um konzentriert die zeitintensiven, meditativen Arbeitsprozesse des Macramés durchzuführen. Ihr Werkzeug sind ihre Hände. Damit produziert sie aus dicken Seilen einerseits schlichte Werke und andererseits auch ganz grossflächige, skulpturale Wandteppiche und Raumteiler. Das Ergebnis sind neue Interpretationen von unglaublicher Taktilität mit subtilen Farben, geometrischen Loops und komplexem Design. Für ihre Kollektion mit dem Titel «Black Gold» hat sie Materialien wie Gold, Lehm und Leder in und um das natürliche Baumwollseil eingearbeitet. Inzwischen haben ihre Macramé-Werke nationale Anerkennung erlangt und sind in den verschiedenen Galerien unter anderem in der «R20th Century Design Gallery» in New York zu finden. Magazine wie «The Wall Journal» und «The Chicago Tribune» haben begeistert über ihre Arbeit berichtet und renommierte Namen wie Ralph Lauren, Tommy Hilfiger, Nike oder das Design Hotel ACE London gehören zu ihren Kunden. Denn die neue Macramé-Welle begeistert sie alle.

 

Die Schönheit der Knoten
Die Geschichte des Macramés stammt aus dem 13. Jahrhundert, als arabische Weber komplizierten, handgeknüpften Kopfschmuck zum Schutz ihrer Pferde vor Fliegen und zur Dekoration ihrer Häuser erschafften. Die Handwerkskunst lässt sich aber auch auf die Kreuzritter und Maurer zurückführen. Auf Segelschiffen des 14. und 15. Jahrhunderts verbreitete sich die Macramé-Kunst von Italien und Spanien über die ganze Welt. Matrosen knüpften sich auf den langen Schiffsfahrten Hängematten, Netze und Geschenke für ihre Geliebten in den verschiedenen Häfen, in denen sie an Land gingen. Doch sein Goldenes Zeitalter erlebte Macramé in der viktorianischen Zeit. Eine zweite Renaissance erfuhr diese alte Technik in den 1960ern Jahren, als Hippies ihre Kleider, Gilets und Pflanzenhänger mit Fransen schmückten und durch das Knüpfen gegen die Entwicklung der Welt und für den Frieden protestierten. Geknöpfte T-Shirts und bunte Freundschaftsarmbänder bescherten der traditionellen Knüpftechnik dann in den kühlen, technischen, vom kalten Krieg geprägten 1980ern Jahren ein kurzes Revival.

Nun ist Macramé definitiv wieder zurück! Und feiert mit seinen neuartigen Interior-Accessoires die Schönheit des Zeitverstreichens beim Verknoten. Damit wird der alten Tradition neues Leben und Aufmerksamkeit eingehaucht. Durch Macramé fokussieren wir uns wieder darauf, dass wir uns mehr Zeit für das Wesentliche nehmen. Und geben uns dadurch die Möglichkeit, in der schnelllebigen Digitalisierung über alles in Ruhe nachzudenken.